Kamerun hat gewählt
Die Kommunal- und Parlamentswahlen am Sonntag, den 9. Februar wurden von Gewaltausbrüchen und einer Atmosphäre der Angst begleitet. Viele Wähler blieben in den anglophonen Regionen aus Furcht vor Repressionen von der Wahlurne fern.
Wahlbeobachtung aus dem Untergrund
Die Commission for Justice and Peace des Limburger Partnerbistums Kumbo berichtet, dass sie ihr offizielles Mandat der Wahlbeobachtung deshalb nicht ausüben konnte. Allerdings gelang es der Kommission, Berichte von eigens geschulten Wahlhelfern zu sammeln und so einen Eindruck von den Geschehnissen zu geben, die nun hier wiedergegeben werden.
Ghost town zu den Wahlen
Die für 2018 angesetzten Wahlen, mussten bereits zweimal verschoben werden. Grund dafür ist der seit Ende 2016 gewaltsam ausgetragene Konflikt zwischen den anglophonen Regionen Nordwest und Südwest mit der Zentralregierung.
Im Vorfeld der Wahlen riefen die Separatisten, die für einen unabhängigen anglophonen Staat „Ambazonien“ eintreten, vom 1. Februar bis 12. Februar sogenannte „ghost towns“ aus. Das öffentliche Leben kam dadurch zum Erliegen. Die Menschen wurden durch Androhung von Gewalt gezwungen, in ihren Häusern zu bleiben und nicht zu den Wahlurnen zu gehen. „Es ist nicht einfach“, erzählt eine Kamerunerin, die tagelang nicht das Haus verlassen konnte. Manche Orte waren erst am 14. Februar wieder zugänglich.
Kämpfe zwischen Separatisten und Militär
Die Atmosphäre war geprägt von Furcht und Misstrauen. Die Meinungsfreiheit wurde massiv eingeschränkt. Kandidaten für politische Ämter wurden von den Separatisten festgenommen und bedroht. Beantragten Bürger offizielle Dokumente wie Pässe, wurden sie verdächtigt, sich dem Wahlboykott zu widersetzen. Auch humanitäre Hilfen wurden ausgesetzt, da sie im Verdacht standen heimlich Wahlmaterial zu verteilen und Wahlwerbung zu betreiben.
Das kamerunische Militär ging derweil hart gegen Separatisten vor. Die Bürger wurden aufgefordert, den Boykott zu ignorieren. Die kamerunischen Bürger flohen oder verschanzten sich in ihren Häusern, aus Angst, mit Gewalt zur Wahlurne gezwungen zu werden. Häuser von mutmaßlichen Separatisten und ihren Unterstützern wurden mancherorts abgebrannt. Auf Gewalt der Separatisten wurde auf Seiten der Armee mit Gegengewalt geantwortet statt Zivilisten zu schützen.
Regelwidrigkeiten
Regelwidrigkeiten und Verdachtsmomente in der Vorbereitung und im Ablauf der Wahl machen deutlich, dass demokratische Standards bei diese Wahl nicht eingehalten wurden. Einige Tage vor den Wahlen wurden Bürger zur Teilnahme an Wahlkampfveranstaltungen der Regierungspartei gezwungen. In manchen Orten traten keine anderen Parteien außer der Regierungspartei zur Wahl an. Parteien versuchten zum Teil noch an den Wahlstationen Einfluss auf die Wähler zu nehmen. Separatisten und Militär lieferten sich im Kontext der Veranstaltungen vereinzelt Feuergefechte.
Der Tag der Wahl
Der Wahltag selbst war geprägt von Anspannung. In der Nacht vor der Wahl kam es in der Gegend um Kumbo zu Schusswechseln zwischen 3 und 6 Uhr morgens. Die Verursacher konnten nicht ausfindig gemacht werden, allerdings verstärkte dies die Angst der Bürger, zur Wahl zu gehen. Die Ausweglosigkeit der Zivilisten in dieser Lage wird hier besonders deutlich. Einerseits fürchteten sie die Gewalt der Separatisten bei Missachtung des Boykotts. Andererseits fürchteten sie, vom Militär gewaltsam zur Wahl gezwungen zu werden. „Es ist nicht einfach“, erzählt eine Kamerunerin. Sie berichtet davon, dass sie tagelang Zuhause geblieben sei. Die Ausgangssperren hielten in einigen Orten bis zum 14. Februar an. Jeden Tag gebe es Tote, auch nach den Wahlen.
Dort wo die Menschen zur Wahlurne gingen, verlief die Wahl ruhig. Unterschiedliche Quellen wie die kamerunische Bischofskonferenz, Human Rights Watch und Medienberichte machen jedoch deutlich, dass die Wahlbeteiligung in den anglophonen Gebieten äußerst gering ausfiel. Die Ergebnisse werden erst in einigen Tagen feststehen.
„Die Berichte unserer Partner im Bistum Kumbo zeigen, dass die Wahlen am 9. Februar 2020 nicht als demokratisch, fair und transparent bezeichnet werden können. Auf diese Gefahr hatten im Vorfeld bereits Kirchen und internationale Organisationen hingewiesen“, bilanziert Sarah Czichowsky den Bericht, Referentin für Globale Vernetzung und Solidarität in der Abteilung Weltkirche des Bistums Limburg.